Es ist Freitag. Anstatt mich wie im Normalfall in die TP- App einzuwählen um in Sekundenschnelle an mein Ziel zu kommen, entscheide ich mich spontan dafür zu Fuß zu gehen. Es ist eine laue Sommernacht und meine Verabredung am Rotebühlplatz ist noch zu Hause in Berlin um sich herzurichten. – Ich habe also noch ein wenig Zeit. – Vom Schlossplatz mache ich mich auf den Weg zur Theodor Heuss Straße.
Ich kenne die Gegend noch aus der Zeit vor der Revolution, dem Zeitpunkt an dem jedem Bürger das Recht auf Teletransportation zugesprochen wurde. Damals, erinnere ich mich, habe ich diesen Ort gemieden. Es war eine der Hauptverkehrsstraßen der Stuttgarter Innenstadt. Immer laut und voller Berufsverkehr. Prolleten die mit ihren aufgemotzten Fortbewegungsmitteln auf und ab fuhren um Passanten zu imponieren. Polizeipatrouillen und Montagsdemos. Links und Rechts Clubs und Bars, Bankgebäude und einige vereinzelte Geschäfte. Die Bürgersteine überflutet mit Menschen die von A nach B hetzten; in Schlange standen um in einen der zahlreichen Clubs zu kommen oder versuchten noch einen Platz vor einer der überfüllten Bars zu erhaschen. Das Überqueren der Fahrbahn oder das Wenden mit dem Auto, an nur wenigen Punkten möglich. – Enge, trotz weiter Straßen. Stress, durch Lärm und verstopfte Straßen.
Bei meinem gedanklichen Ausflug in eine vergangene Zeit, fällt mir auf wie angenehm ruhig die Stadt geworden ist seit der Revolution. – Die Straßen wurden vom Menschen ohne motorisierten Antrieb zurückerobert. Der Mensch, erkundet gerne wieder die Stadt und hat ein neues Zeitgefühl gewonnen. Der Verlust von langen Warte- und Transferzeiten, führte zu einer Steigerung der Freizeit. – Die Theodor Heuss Straße hat ihr Antlitz vollkommen verändert. Die Straße gleicht einer großen Parkanlage. Der Asphalt ist zu großen teilen überwachsen von Grün. Gräser, Moose, Wildblumen… eingegrenzt zwischen zwei scheinbar nicht endenden Häuserreihen, umgeben von Firewalls zum Schutz der Privatsphäre der Bürger. Zwischen ihnen wandeln Menschen verschiedenster Herkunft, unterhalten sich, verweilen oder lassen sich nieder wo sie stehen und gehen. Vereinzelt sind temporäre Pavillons verschiedenster Art und Form aufgebaut und der ehemalige ungenutzte Grünstreifen zur Fahrbahntrennung, wurde zu einem urbanen Garten umfunktioniert. Ich entdecke eine Tanzgruppe, einige Passanten bleiben stehen und schließen sich ihr an. Auf der ehemaligen Fahrbahn nahe dem Klaviergeschäft, Piano-Fischer, sehe ich Menschentrauben. Sie stehen um einzelne Klaviere die im Außenraum aufgestellt sind und von Passanten bespielt werden. Einige tanzen, eine Frau begleitet spontan mit Gesang. – Ich fühle mich wohl. Eine angenehme Weite, mitten in der Stadt.
Vor lauter umherschweifen, habe ich ganz die Zeit vergessen. Um nicht zu spät zu meiner Verabredung zu kommen schicke ich ein kurzes Hologramm: „Treff mich an dem riesen Pilz“. Zwei Sekunden später steht meine Verabredung vor mir…